Röntgenphysik

Motivation

Röntgenstrahlung liegt im elektromagnetischen Spektrum oberhalb des energiereichen UV (EUV) und unterhalb der, aus nuklearen Prozessen stammenden, Gamma - Strahlung. Im Gegensatz zur langläufigen Meinung gibt es dabei jedoch keine festgelegte energetische Grenze zwischen Gamma- und Röntgenstrahlung. Vielmehr wird charakteristische Röntgenstrahlung durch Prozesse in der Atomhülle erzeugt, charakteristische Gammastrahlung im Atomkern. Unter Umständen kann ein Gammaquant dabei sogar niederenergerischer sein, als ein Röntgenquant.


Viele atomphysikalischen Merkmale liegen nicht im Bereich der Röntgenstrahlung. Die Temperatur koronaler Plasmen von Sternen kann zum Beispiel besonders gut durch die temperatursensitive Dielektronische Rekombination im Röntgenbereich beobachtet werden.

Abbildende Systeme

Für die Astronomie ist es von Interesse, nicht nur Spektren der beobachteten Objekten abzubilden, sondern auch echte Bilder von diesen zu erstellen. Leider eignen sich zur Fokussierung von Röntgenstrahlung keine der für sichtbares Licht verwendeten Linsen oder Spiegel, da sich die hochenergetischen Photonen beim Durchgang durch Materie völlig anders verhalten als sichtbare.

Aber es gibt dennoch verschiedene Möglichkeiten, Abbildungen mit Röntgenstrahlung zu erzeugen. Folgende stelle ich im Kapitel "Teleskope" vor:

Wolter - Teleskope
Kodierte Masken
Compton - Teleskope

Wolter Teleskope

Besonders Materialien hoher Kernladungszahl besitzen aufgrund des hohen Elektronenanteils - für Röntgenstrahlung einen Brechungsindex kleiner als 1. Ein Übergang von Luft oder Vakuum in ein solches Material (z.B. Gold) ist für Röntgenstrahlung demnach ein Übergang aus einem optisch dichteren Medium in ein dünneres.

Wie bei der Totalreflexion des sichtbaren Lichtes an der der Grenzfläche Glas/Luft in einem Prisma tritt hier bei Röntgenstrahlung auch Totalreflexion. Allerdings findet dieser Vorgang nur bei sehr kleinen Winkeln statt. Er wird bestimmt durch:

sin( θ ) = n1 / n2

Dabei sind n1 und n2 die Brechungsindizes der beiden Materialien. Da Vakuum einen Brechungsindex von n1 = 1 besitzt (Definition) und Gold bei 1 KeV einen Brechungsindex von n2 = 1 - 2E-3 besitzt, erhält man nach obiger Formel einen Winkel von 1°. Röntgenstrahlung kann also mit Totalreflektion also nur unter streifendem Einfall abgelenkt werden.

Die einfachste Spiegelform ...

zur Fokussierung von Röntgenstrahlung ist der Parabolspiegel. Jedoch führt dieser bei gleichzeitiger Bedingung des streifenden Einfalls zu extremen Bildfehlern, insbesondere zur sogenannten Koma, einer Verzerrung des Bildpunktes, die bei nicht Achsen-nahem Lichteinfall entsteht. Durch Verwendung eines zweiten Spiegels kann dieser Bildfehler vermindert werden. Das optische Cassegrain-Teleskop verwendet beispielsweise einen parabolen Haupt- und einen hyperbolen Sekundärspiegel.

Daher hat Hans Wolter 1952 auch bei Roentgenteleskopen spezielle Kombinationen aus Paraboloid- und Hyperboloid-Spiegel (Typ I / Typ II) bzw. eines paraboloiden und eines ellipsoiden Spiegels (Typ III) vorgeschlagen, die für die Korrektur der Verzerrung bei streifendem Einfall geeignet sind. Diese vorgeschlagenen Spiegelanordnungen sollten damals zunächst der Realisierung eines Röntgenmikroskopes dienen, allerdings scheiterten Sie an der damals nicht zu verwirklichenden, notwendigen Oberflächengenauigkeit der Spiegel.

Giacconi ...

hat 1960 erkannt, dass bei Umkehrung des Strahlverlaufs eine deutlich geringere Oberflächengenauigkeit gefordert werden muss.[Gia60]. Folgerichtig hat die von Wolter vorgeschlagene Spiegelgeometrie als Röntgenteleskop Anwendung in der Röntgenastronomie gefunden; zunächst auf Ballon- und Raketenexperimenten, später auf Satellitenmissionen (Erster Röntgensatellit mit Wolter-Teleskop: "Einstein-Observatory" 1978).

Auf Grund der Einfachheit des Aufbaus und der Möglichkeit, Spiegel zu schachteln, finden in der Röntgenastronomie vor allem Wolter-Teleskope vom Typ I Anwendung. Die Möglichkeit zur Schachtelung von Spiegelsystemen ist besonders in der Röntgenastronomie von Bedeutung, da ein einzelner Spiegel, unter der Bedingung des streifendem Einfalls, nur eine geringe wirksame Fläche besitzt. Eine konzentrische Schachtelung mehrerer Wolter Teleskope kann daher die effektive Fläche deutlich vergrößern.

Compton Kameras

Compton Kameras, oft auch Compton Teleskope genannt, benötigen keinerlei abbildende Optik, um die Richtung der einfallenden Strahlung zu bestimmen. Verwendet werden mehrere Schichten oder einzelne Kristalle aus Germanium oder Silizium, in welchen Mehrfachstreuvorgänge einzelner Photonen beobachtet werden. Aus der genauen Lage der Streuorte kann bei ausreichender Statistik das ursprüngliche Bild rekonstruiert werden.

Genutzt wird, daß die Freisetzung der Ladungsträger in den Halbleiterdetektoren nicht ausschließlich durch Absorption (Photoeffekt) geschieht, sondern auch durch Streuprozesse, wie etwa dem Compton - Effekt. Dabei gibt das Photon Energie an die lose gebundenen Elektronen der Halbleiteratome ab. Nach dem Stoß fliegt das Photon in veränderter Flugrichtung weiter. Der Winkel zwischen der Flugrichtung vor und nach dem Stoß ist abhängig vom erfolgten Energieübertrag, und der ursprünglichen Energie des Photons. Der Energieübertrag kann durch die Anzahl der freigesetzten Ladungsträger gemessen werden kann.

Im einfachsten Fall ...

erfolgt nun eine zweite, vollständige Energieabgabe des Photons durch den Photoeffekt an einem anderen Ort (z.B. einem anderen Pixel in Pixeldetektoren). Aus den Ortsinformationen der jeweiligen Wechselwirkungen sowie der jeweiligen Energieinformation, kann man Rückschluß auf den Streuwinkel des Photons ziehen. Leider kann mit dieser Technik eben nur dieser Winkel bestimmt werden, so daß alle möglichen Herkunftsorte des ursprünglichen Photons am Himmel auf einem Kreis liegen.

Um dennoch ein Bild zu erzeugen, muß man sich der Statistik bedienen. Entsteht das Bild bei CCD - Kameras durch eine statistische Überlagerung von Punktereignissen, so entsteht es bei den Compton - Kameras durch eine Überlagerung von Kreisen. Bei ausreichender Statistik, wird die maximale Überlagerung der Kreise in demjenigen Punkt stattfinden, welcher der Herkunftsrichtung des Photons entspricht.

Kodierte Masken

Eine Strahlfokussierung durch Totalreflektion in Wolterteleskopen wird derzeit bis zu einer Energie von etwa 15keV genutzt. Bei höheren Energien müssen andere Methoden angewendet werden. Eine einfache Methode ist die Verwendung von Strukturen, ähnlich derjenigen bei Lochkameras.

Lochkameras liefern räumliche Informationen durch Verwendung einer einfachen Strahlgeometrie, ohne daß der Verlauf der, zur Abbildung verwendeten, Strahlen, verändert wird. Ein Nachteil der Methode ist die Antikorrelation zwischen der Größe der lichtsammelnden Fläche und dem Auflösungsvermögen. In einfachen Worten: Wird der Durchmesser der Blende vergrößert, wird mehr Licht gesammelt, aber das Bild wird unscharf.

Die Lösung des Problems ...

besteht in der Verwendung vieler kleinerer Blenden nebeneinander. Um eindeutig zuordnen zu können, durch welche Öffnung die Lichtstrahlen gefallen sind, werden die Blenden in einem bestimmten Muster angeordnet. Man spricht von kodierten Masken (Coded Aperture). In den Masken sind abschattende Blenden und durchlässige Löcher etwa gleich berechtigt.

Ein Beispiel für die Anwendung einer solchen kodierten Maske ist z.B. Integral, ein Satellit für astrophysikalische Beobachtungen im Energiebereich zwischen 15keV - 10 MeV.

verwendete Literatur:

[Gia60] - Giacconi, R., Rossi, B., 1960, Journal of Geophysical Research, 65, 773

[Phi95] - Philip A. Charles and Frederick D. Seward, Exploring the X-Ray Universe, Cambridge Unversity Press, 1995]

[Kno00] - Glenn F. Knoll, Radiation Detection and Measurement, John Wiley and Sons, 2000




Copyright 2007 Sebastian Hess